Schullektüre schlägt hohe Wellen

Am 09. März 2022 erschien die polnische Übersetzung des Kinder- und Jugendbuches „Füchse lügen nicht“ – polnisch „Lisy nie kłamią“. Diese Buchpremiere nahm ihren ungewöhnlichen Anfang in der Erich Kästner Schule Baunatal. Im Sommer des Schuljahres 2020/2021 wählten die Deutschlehrerinnen des damaligen Jahrgangs 5, Frau Brede und Frau Moor, dieses eher unkonventionelle Kinder- und Jugendbuch als Schullektüre aus, um es im Rahmen des Unterrichts zu behandeln. In Zeiten der Pandemie und des Wechselunterrichts war es den Lehrkräften wichtig, keine „Problemlektüre“ zu behandelt, sondern den Kindern Freude und Spaß am Lesen zu vermitteln – und der Plan ging auf. Die Kinder lasen mit Begeisterung und fieberten auf den Weitergang der Geschichte hin. Dass sich diese Begeisterung aber auch Zuhause ausbreiten würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen.

Zum Ende des Schuljahres verließ die Schülerin Marta die Schule und kehrte mit ihrer Familie zurück nach Polen. Während ihrer Zeit in Deutschland war ihre Mutter Frau Prof. Dr. Eliza Karminska am Institut für Germanistik der Universität Kassel als Gastdozentin tätig. Sie war unter anderem als Übersetzerin der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm aktiv und ist Mitbegründerin einer deutsch-polnischen Arbeitsgruppe „Übersetzung der Kinder- und Jugendliteratur“. Nach ihrer Abreise nach Polen schlug Frau Karminska einem der größten polnischen Kinderverlage „Dwie Siostry“ vor, die Lektüre ins Polnische zu übersetzen und so auch polnische Kinder am Lesefieber teilhaben zu lassen. Nach den ersten zwei übersetzten Kapiteln war der Verlag begeistert und die Dinge nahmen ihren Lauf. Frau Karminska war darauf bedacht, das enorme Potenzial des Buches, das durch Stil und Humor des Autors Ulrich Hub einzigartig ist, einzufangen und weiterzugeben: „Es irren sich Menschen, die glauben, Bücher für Kinder seien keine Literatur“.

Seit der Premiere erhält das Buch enthusiastische Kritiken in Polen und wird als eines der besten Kinderbücher gehandelt. Infolge des Erfolgs der Übersetzung leitete Frau Karminska sogar eine Podiumsdiskussion bei der polnischen Niederlassung von IBBY – eine gemeinnützige Organisation, die ein internationales Netzwerk von Menschen aus der ganzen Welt vertritt, die sich dafür einsetzen, Bücher und Kinder zusammenzubringen. In der Diskussion ging es darum, dass man abseits von festen Pflichtlektüren auch anders mit Literatur im Unterricht umgehen kann, denn sie glaube, dass der Unterricht an der EKS ein hervorragendes Beispiel dafür sei, wie wichtig Schule, Unterricht und auch die Persönlichkeit der Lehrkraft sei, um Kinder zum Lesen zu begeistern und zu inspirieren. Auch ihren Einblick in die Lernmaterialien ihrer Tochter, die sie während ihres Aufenthaltes in Deutschland sprachlich unterstützte, hob sie als positives Beispiel zum Umgang mit Literatur im Unterricht während der Podiumsdiskussion hervor.

Infolge des Verkaufserfolg hat sich der Verlag zudem dazu entschieden, das neuste Buch des Autors Ulrich Hub „Lahme Ente, blindes Huhn“ im Polnischen zu veröffentlichen. Dieses erscheint pünktlich zum Besuch des Autors in Warschau Ende Juni.

Marta blicke wehmütig auf eine spannende Zeit an der EKS zurück, in der sie ein anderes Schulwesen, eine andere Lernphilosophie und viele Freundschaften und Bekanntschaften kennen lernen durfte.